Wednesday 31 August 2011

In der Waldbühne

Es ist der 23. August 2011. Wir sind in der Waldbühne in Berlin, um das nachgeholte Konzert der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Riccardo Chailly zu sehen. Die Waldbühne sieht aus wie ein gigantisches Amphitheater. Sie ist eine Arena, auf deren einer Seite sich ein steiler Abhang befindet. An diesem Abhang befinden sich viele tausend Sitze, Bänke ohne Nummerierung. Alle Sitze laufen hangabwärts auf einen Kreis zu, an dessen Ende sich die Bühne befindet. Die Waldbühne fasst schätzungsweise mehr als 10 000 Menschen. Die Atmosphäre ist kaum zu beschreiben.

Als wir von der S-Bahn in Richtung Waldbühne laufen, befinden wir uns inmitten von tausend andere Leute, allen Alters, aller Herkunft, vieler Sprachen. Je näher man dem Eingang kommt, desto mehr sieht man Kartenverkäufer, die ihre Eintrittskarten noch verkaufen wollen. Bei den Menschenmassen, die in Richtung Waldbühne strömen, kann ich mir es gut vorstellen, dass die Karten verkauft werden können. Als wir unsere eigenen Karten ergattert haben, gehen wir durch die Kartenkontrolle. Die Kontrolleure sind allerseits sehr nette und geduldige Menschen, trotz den Menschenmassen, denen sie Karten und Taschen kontrollieren müssen. Durch die Absperrung, auf einen großen Vorplatz, von dem aus ein Weg zur Waldbühne führt. Wir folgen dem Weg und fühlen uns wie Harry Potter auf dem Weg zum Stadion der Quidditch Weltmeisterschaft. Überall Menschen, überall gute Laune, nur keine singenden Fahnen und Leprechaun, die falsches Gold auf die Besucher fallen lassen. Vor dem Abhang, der zu den Plätzen führt, hat sich ein Ring aus Ständen aufgebaut. Dort bekommt man alles, von Crêpes über Kaffee und Tee bis hin zu Erdbeerbowle und Cocktails. Wenn man sich dann dem Abhang nähert, sieht man ein riesiges Zelt am fernen Ende des Amphitheaters, angestrahlt mit blauem und weißem Licht. Hunderte Herren und Damen in feinen Anzügen erklären den Besuchern, wo und wie genau ihre Plätze zu finden sind. Wir machen uns auf den Weg auf die linke Seite, in den H Block suchen uns Plätze (es ist ja freie Platzwahl) und genießen den Ausblick, bis nach wenigen Minuten der Dirigent unter Applaus die Bühne betritt.

 Als der Dirigent die Bühne betritt, dämmert es gerade. Es ist noch nicht ganz dunkel, als das Orchester der Berliner Philharmoniker die Suite für Jazz-Orchester Nr. 2 von Dimitri Schostakowitsch anstimmt. Die Suite besteht aus acht Teilen, die mich an Filmmusik erinnern. Besonders an die Filmmusik, die der Japaner Joe Hisaishi komponiert. Eine Stelle klingt sogar ein wenig so, wie die Musik der Kindersendung „Der kleine Maulwurf“. Der Beginn des Konzertes ist gelungen, das Publikum bestens eingestimmt auf die nächsten knapp zwei Stunden zeitgenössischer klassischer Musik. Für ihren hervorragend gespielten Schostakowitsch bekommen die Berliner Philharmoniker großen Applaus. Für mich ist es das schönste Stück vor der Pause.

Als nächstes hören wir Filmmusik aus der Zeit um die Hälfte des 20. Jahrhunderts. Komponist ist Nino Rota (1911-1979), das Stück heißt „La strada“, stammt aus dem Jahre 1966 und ist eine „Orchestersuite aus dem Ballett nach Federico Fellinis gleichnamigem Film von 1954“ (so das Programmheft). Obwohl sehr eindrucksvoll gespielt, reißt mich die Musik nicht so in den Bann, wie es vorher Schostakowitsch getan hat. Hätte ich die Auswahl der Musik beeinflussen können, hätte ich Riccardo Chailly wohl andere Filmmusik empfohlen. Und doch lässt die Tatsache, dass Herr Chailly und ich wohl andere Vorstellungen von guter Filmmusik haben, die Magie des Abends keineswegs schwinden. Unter der intensiven, und teilweise etwas düsteren Musik Nino Rotas wird es nun endgültig dunkel. Man sieht jetzt deutlich, wie die Bäume von mächtigen Scheinwerfern angestrahlt werden. Von Zeit zu Zeit sieht man blinkende Flugzeuge weit weg am Himmel vorüberfliegen und man wundert sich, ob die das Spektakel hier unten durch die klare Nacht erahnen können. Ab und zu flattert auch die eine oder andere Fledermaus verwirrt durch das Licht.

 
Dann ist Pause. Viele der Besucher bleiben – ganz untypisch für Konzerte – einfach auf ihren Plätzen sitzen, anstatt sich auf die Buden zu stürzen, wo alles angeboten wird, von chinesischen Wok-Gerichten, bis hin zu fast so exotisch klingender Erdbeerbowle.

Die Pause verklingt ohne einen Ton, kein Gong ertönt und alle, die an den Buden stehen, werden von plötzlichem Applaus überrascht, als der Dirigent wieder auf die Bühne tritt. Die zweite Hälfte erklingt ganz in italienisch. Ottorino Respighi ist der Komponist, Fontane di Roma (1915/16) und Pini di Roma (1923/24) sind seine Werke. Beide sind sehr schön gespielt. Besonders im Gedächtnis bleiben dabei die letzten Minuten von Pini di Roma. Eine ganze Weile lang spielen Bläser und Pauken die Hauptrolle, als würde Caesar persönlich mit einem Triumpfzug in Rom einmarschieren. Und so strahlt die Musik von Ottorino Respighi durch das große Amphitheater im Wald, in dem es mittlerweile vollkommene Nacht geworden ist. Nach dem Ende des Riesenspektakels, und damit auch nach dem Ende des Konzertabends, wie er auf dem Programm steht, erhebt sich allseits großer Applaus. Für Riccardo Chailly und die Berliner Philharmoniker stehen die Menschen von ihren Plätzen auf, und setzen sich auch dann nicht wieder hin, als das Orchester schon längst zur ersten Zugabe anspielt. Die ist fast so schwungvoll wie die Pini di Roma, die soeben verklungen waren. Die zweite Zugabe ist ähnlich schwungvoll, und klingt, wie alles an dem Abend nach moderner Klassik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die dritte Zugabe ist, genau wie die Waldbühne, ein Highlight, das es nur in Berlin gibt: Die Berliner Hymne, komponiert von Paul Lincke. Das ganze Publikum schreit begeistert bei den ersten Takten, und durch die ganze Waldbühne ziehen sich Pfiffe, wann immer der Refrain sich nähert („das ist die Berliner Luft Luft Luft“), Klatschen und Singen. Die Begeisterung, die sich durchs Amphitheater zieht ist greifbar. Alle tanzen, schunkeln, singen, klatschen, pfeifen und freuen sich ihres Lebens. Die Berliner Hymne ist der letzte Höhepunkt eines fantastischen Abends. Als die letzten Takte und das letzte Klatschen verhallt sind, wälzen sich die Menschenmassen von immer noch um die 10 000 Menschen aus der Waldbühne heraus. Ströme von Menschen, die die Treppen emporsteigen, aus der Absperrung um die Waldbühne strömen und sich in Richtung S-Bahn bewegen. Der Abend ist immer noch lau und angenehm, und durch die dritte Zugabe ist die Menge beschwingt und zufrieden. Und so steht an der S-Bahn ein Haufen glücklicher, zufriedener Leute, der sich langsam in die S-Bahn drängt und seiner Wege fährt – bis zum nächsten Jahr vielleicht.

Thursday 4 August 2011

SENSATION!!!

Ladies and Gentlemen!

We have a new sensation here!

A real sensation!

An attraction at its best!

You will see! Buy our newspaper, and already on the first page you can read the sensation of the day! Now and today we tell you exclusively about this event! Buy, read and gossip, today as easy as never!


We always have to be ready for the next sensation. Never mind if it is a politician who makes a mistake, never mind if it is a plane crashing over the Caspian Sea, never mind if Rooney goes to Real Madrid, never mind if Schuhmacher goes back to Formula 1, everything is already in the headlines, at best with coloured picture and big letters.

And never mind what it is, today it is very important and tomorrow it is forgotten. You live for the day. Things that are important today are already forgotten tomorrow. Things that might be important tomorrow don’t matter today. A nuclear reactor that is guaranteed a lifetime extension today, might explode tomorrow. A people that fights for freedom and democracy is cheered on today and forgotten tomorrow. All this shows a mentality in which everything that lies behind has to be forgotten, and everything that might happen tomorrow must not be considered yet. But is that really something we should do? Living from one headline to the next, not caring about what happened today and what might happen tomorrow?

Who still remembers the battle for Misrata? Only a few months ago, it kept the whole world in suspense. Who remembers the horrible earthquake in Japan? Who remembers the monks protesting in Burma? Who remembers the genocide in Rwanda? All this are topics that kept the world in suspense at the time. Today they are over, over and forgotten. Today we care about the topics of today. Things that were important yesterday are few and far between today.

But how, I wonder, is this world supposed to develop a moral, if everything that was important yesterday doesn’t matter today? How can one believe that people really care for the things they talk about? How can one believe that it really lies at people’s hearts what happens in the world? How can one believe that the western world really cares about the war in Libya if it disappears from news soon after?

In a world with an international network, just like we have now; in a world that becomes smaller and smaller; in a world where we have to develop a feeling for other countries and cultures we should think carefully whether it is the right thing to only write about things that go well in the headlines, or if we should not turn back from time to time and look for people in other countries that have been in the headlines long time ago. Only then we might be able to get a feeling for other countries , cultures and mentalities. And, maybe, only if we begin to understand each other we can begin to act together so we can save the world as a place where our children can enjoy to live.



This article is translated from German. If there are any problems in understanding, please let me know and I'll make it easier to understand.

                                                                                                      currrious.cat

EINE SENSATION!!!!

Meine Damen und Herren!

Wir haben hier eine Sensation, eine echte Sensation!

Eine Attraktion vom Feinsten!

Sie werden schon seh’n! Kaufen Sie diese Zeitung, und schon auf der Titelseite können Sie lesen, was die Sensation des Tages ist! Jetzt und heute berichten wir Ihnen ganz exklusiv von diesem Ereignis! Kaufen Sie, lesen Sie, tratschen Sie, heute so leicht wie nie!


Man muss immer auf die neusten Sensationen gefasst sein. Ob ein Politiker etwas falsches sagt, ob ein Flugzeug über dem Kaspischen Meer abstürzt, ob Schweinsteiger nun doch nach Real Madrid geht, ob Schumacher mal wieder ins Rennauto steigt, alles steht sofort in den Schlagzeilen, am besten mit Farbbild und großer Überschrift.

Und ganz egal, was es ist, heute ist es ganz wichtig, und morgen ist es schon vergessen. Heute lebt man für den Tag. Was heute wichtig ist, ist morgen schon vergessen. Was morgen wichtig sein könnte, ist heute noch egal. Dass ein Atomreaktor, der morgen schon explodieren könnte, heute noch eine Laufzeitverlängerung bekommt, dass der Kampf eines Volkes für Freiheit und Demokratie heute so bejubelt wird und morgen schon wieder vergessen ist, all das zeugt von einer Mentalität, in der alles was vorbei ist, vergessen sein muss und alles was morgen passiert auf keinen Fall schon durchdacht werden darf. Doch ist das richtig was wir da tun? Ist es richtig, wenn wir von Schlagzeile zu Schlagzeile leben, wenn alles, was gestern war und morgen sein könnte, heute egal ist?

Wer erinnert sich, zum Beispiel, an den Kampf um Misrata, der noch vor wenigen Monaten, die ganze Welt in Atem hielt? Wer erinnert sich an das schwere Erdbeben in Japan? Wer erinnert sich noch an die Demonstrationen der Mönche in Burma? Wer erinnert sich noch an den Völkermord in Ruanda? Das sind Themen, die seinerzeit die Welt in Atem hielten. Heute sind sie vorbei, vorbei und vergessen. Heute geht es um die Themen von heute. Themen von gestern muss man schon mit der Lupe suchen.

Wie aber soll sich diese Welt eine Moral bilden, wenn alles, was gestern noch wichtig war, heute egal ist? Wie kann man noch glauben, dass es den Menschen wirklich um das geht, über das sie berichten? Wie soll man glauben, dass es den Menschen überhaupt noch am Herzen liegt, was auf der Welt passiert? Wie soll man glauben, dass der Kampf in Lybien den Westen wirklich interessiert, wenn er nach kurzer Zeit wieder aus den Schlagzeilen verschwindet?

In einer Welt, in der die internationale Vernetzung so stark ist wie jetzt, in einer Welt, die immer kleiner wird und in der wir ein Gefühl für andere Länder und Kulturen entwickeln müssen, sollten wir uns Gedanken machen, ob es richtig ist, über das zu schreiben, was sich in den Schlagzeilen gut macht, oder vielleicht doch ab und zu über die Schulter zu schauen, um zu sehen, wie es Leuten in Ländern geht, die vor langer Zeit schon einmal in den Schlagzeilen waren. Nur dann können wir ein Gefühl für andere Länder, Kulturen und Mentalitäten bekommen. Und vielleicht können wir auch nur dann, wenn wir anfangen, Andere zu verstehen, anfangen gemeinsam zu handeln, um die Welt als eine Welt zu bewahren, in der auch noch unsere Nachkommen gerne leben.